Via Kebab zurück zur Musik
Zur Komposition «I go to Turkey» inspirierte Stefan Signer vor allem das St.Galler «Ristoran Limon»
Zehn Jahre lang dauerte die kompositorische Auszeit von Stefan Signer alias Infrasteff. Jetzt meldet er sich mit einer «instrumentalen Extravaganz» zurück. Premiere ist heute in Luzern.
Von Andreas Stock
Gut möglich, dass er einem im Restaurant «Hintere Post» schon einmal die Pasta serviert hat – Stefan Signer ist im Speiselokal seit über fünf Jahren für den Service-Bereich verantwortlich. International einen Namen machte er sich allerdings als Infrasteff in den 70er- und 80er-Jahren – als eigenwilliger Musiker sowie Komponist, als Pendler zwischen Rock und Kammermusik. Bekannt wurde er zunächst mit verschiedenen Rockformationen, berühmt mit seiner kultigen Red Devil Band: illustre Namen wie Hanspeter Spörri (heute Chefredaktor der Zeitung «Der Bund»), Bo Katzman (ja, der «Chorknabe») oder Billy Cobham rockten zeitweilig in dieser Band mit.
Lust vergeht und kehrt zurück
Die musikalische Vita Infrasteffs aufzuführen wäre seitenfüllend; beim Blick aufs umfangreiche Werkverzeichnis mit Vokalwerken, Kammermusik, Jazz- und Rockkompositionen fällt das abrupte Ende der Liste im Jahr 1992 auf: «Es war schon seltsam», erinnert sich Stefan Signer, «ich bin eines Tages aufgewacht und mochte nichts mehr von meinen Sachen sehen und nichts mehr vom Musikschreiben wissen». Nullbock habe er verspürt. So hat er «zehn Jahre auf der anderen Seite des Zauns» gearbeitet – bei der Organisation von Musikprojekten anderer. Musik habe er nur noch für seine Tochter gemacht: Schlaf- und Kinderlieder. Doch so plötzlich, wie das «Kribbelgefühl» verschwunden war, so unerwartet meldete sich die Lust zum Komponieren im Januar dieses Jahres zurück: «Ich bin an den Computer gesessen und habe Ideen notiert, mit denen ich schwanger ging». Und was hat ihn zur neuen Komposition «I go to Turkey» inspiriert? «Seit ich mit Zwölf Klavierspielen lernte, faszinierte mich die arabische Musik. Aber auch die spezielle Atmosphäre von Fastfood-Lokalen, von Diners und Snackbuden, hat meine Fantasie stets beflügelt», erzählt er. Reisen nach Südanatolien und die Erlebnisse in türkischen Imbissbuden, dort sowie hier in der Schweiz, bildeten dann die Grundlage für die Themen des Stücks. Besonders inspirierend seien vor allem die Aufenthalte im «Ristoran Limon», dem türkischen Lokal an der Linsebühlstr. 32 gewesen. «Es sind alltägliche kleine Geschichten und Beobachtungen, aus denen ich Szenen entwickelt habe», beschreibt Stefan Signer sein neues Werk, «für mich ist es wie Musik zu einem Film, den es nicht gibt».
Groovige Kammermusik
Heute wird im Marianischen Saal in Luzern «Part 1» der «Limon Music Instrumental Extravaganza» für Sopran, Flöte und Piano uraufgeführt. Als eine Art «groovige Kammermusik», beschreibt Signer die dreiteilige Komposition, die er noch ausbauen möchte. Wie frühere Infrasteff-Musik lässt sie sich nicht schubladisieren, verschmelzen Rock, Jazz sowie die Liebe zu Strawinsky und Zappa ineinander. Der musikalische Autodidakt, «aufgewachsen zwischen Strawinsky und den Beatles» – so steht es in einem Schweizer Komponisten-Verzeichnis – pflegt wohl auch diesmal wieder die Neigung «zum Experiment, zum Unorthodoxen», wie es dort weiter heisst. Die Freude an kabarettistischen, ironischen Interpretationen findet sich auch in «I go to Turkey», dessen Texte – in türkisch, englisch und deutsch – Signer einerseits in Christoph Ransmayrs Roman «Die letzte Welt», andererseits in türkischen Reiseführern fand. «Auftritt der Schnauzbartmänner mit dunkler Teint und piepsender Handies» heisst es da beispielsweise bewusst orthografisch falsch. Er wolle sich beileibe über nichts und niemanden lustig machen, betont Signer dazu. Es sei vielmehr eine süffisant-charmante und ironische Liebeserklärung an ein bestimmtes Milieu. Dass die Premiere des neuen Werks in Luzern stattfinde, habe einerseits mit den Musikern zu tun; andererseits, gesteht der 51-Jährige ein, wolle er es nach so langer Auszeit auch etwas vorsichtig angehen. «Natürlich ist eine Aufführung der ‘Limon Music’ in St.Gallen vorgesehen», verspricht Stefan Signer. Und freilich schwebt ihm dieses Konzert im Lokal an der Linsebühlstrasse vor.